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Sure 96, «Das geronnene Blut» (bei Paret: «Der Embryo»)   (übersetzt von Muwahida)

Gemäß einer islamischen Überlieferung betete Muhammad, ein wohlhabender arabischer Kaufmann aus dem in Mekka ansässigen Stamm der Quraish, im Alter von vierzig Jahren in einer Gebirgshöhle nahe Mekka. Während er die ganze Nacht in Andacht verbrachte, kam ein Engel zu ihm und befahl ihm zu lesen und zu rezitieren, was er las. Muhammad erwiderte: „Ich kann nicht lesen.“ Das Geistwesen duldete jedoch keine Einwände. Nach einem Hadith bei Buchari zwang es Muhammad seinen Willen in einer Furcht einflößenden Weise auf, wobei es sogar so weit ging, ihn physisch zu bedrohen:
(Der Prophet fügte hinzu:) „Der Engel ergriff mich mit Gewalt und bedrängte mich so sehr, dass ich es nicht mehr ertragen konnte. Dann ließ er mich frei und forderte mich abermals auf zu lesen, und ich antwortete: ‚Ich kann nicht lesen.’ Daraufhin packte er mich erneut und bedrängte mich ein zweites Mal, bis ich es nicht mehr ertragen konnte. Dann ließ er mich frei und forderte mich abermals auf zu lesen, aber wiederum antwortete ich: ‚Ich kann nicht lesen’ (oder: ‚Was soll ich lesen?’). Da ergriff er mich ein drittes Mal und bedrängte mich und ließ mich frei und sagte: ‚Lies! Im Namen deines Herrn, der alles (was ist) geschaffen hat. Der den Menschen aus einem Blutklumpen erschaffen hat. Lies! Und dein Herr ist der Edelmütigste ... [und lehrt den Menschen] ... was er nicht wusste.’ (Sure 96:1-5)“

Dies ist die berühmte erste Offenbarung des Korans, jetzt in Sure 96:1-5 zu finden. In der islamischen Standardversion dieser Begebenheit war es der Engel Gabriel, der vor Muhammad erschien, aber die frühesten islamischen Quellen vermitteln ein etwas vielschichtigeres Bild. Der im 9. Jahrhundert lebende islamische Historiker Ibn Sa´d hält eine muslimische Überlieferung fest, der zufolge ursprünglich ein Engel namens Seraphel Muhammad aufsuchte und nach drei Jahren durch Gabriel ersetzt wurde. Er vermerkte ferner die Tatsache, dass die Gelehrten und die in der Sira-Literatur [sira = die frühen Biographien Muhammads] Sachkundigen dieser Überlieferung widersprachen und darauf beharrten, dass Muhammad niemals ein anderer als Gabriel erschienen sei. Dennoch ist schwer einzusehen, wie irgendjemand auf die Idee hätte kommen können, dass ein weiterer Engel mit Muhammad zu tun gehabt habe, wenn die islamische Überlieferung von Anfang an absolut sicher gewesen wäre, dass es Gabriel war.

Am Anfang betrachtete Muhammad seine spirituelle Begegnung mit bedeutender Erregung. Nach Ibn Sa´d „litt er große Pein, und sein Gesicht wurde aschfarben.“ Gemäß dem islamischen Historiker des 8. Jahrhunderts, Ibn Ishaq, fragte er sich, ob er vom Teufel besessen gewesen sei, und erwog sogar, Selbstmord zu begehen:
„Ich werde zum Gipfel des Berges gehen und mich hinabstürzen, auf dass ich mich töte und Ruhe finde. Also ging ich hinaus, um dies auszuführen, und als ich mich auf der Mitte des Weges zum Berg befand, hörte ich eine Stimme aus dem Himmel, welche sagte: ‚O Muhammad! Du bist ein Gesandter Gottes, und ich bin Gabriel.’ Ich erhob mein Angesicht zum Himmel, um zu sehen (wer da sprach), und siehe da, Gabriel stand da in Gestalt eines Mannes, und seine Füße berührten den Horizont, und er sagte: ‚O Muhammad! Du bist der Gesandte Gottes und ich bin Gabriel.’“

Muhammed kehrte in größter Verzweiflung zu seiner Frau Chadidja zurück. Nach Aisha (via Buchari):
“Dann kehrte Allahs Gesandter damit (mit der Offenbarung) [nach Hause] zurück, und sein Herz schlug rasend, (und die) Muskeln zwischen Nacken und Schultern zitterten, bis er auf Chadidja (seine Frau) traf und sagte: ’Bedecke mich!’ Sie bedeckten ihn, bis seine Furcht vorüber war, und danach sagte er: ‚O Chadidja! Was ist mit mir? Ich hatte Angst, dass mir etwas Schlimmes widerfahren könnte.’ Dann erzählte er ihr alles, was geschehen war.“

Ibn Ishaq sagt, dass er ihr von seinen ursprünglichen Ängsten berichtet habe: „Wehe mir Dichter oder Besessenem!“ Damals galten „Dichter“ als Leute, die in Ekstase fielen und dabei möglicherweise satanische Visionen hatten. Aber nach Buchari hatte Chadidja mehr Vertrauen zu Muhammad als er zu sich selbst. Sie nahm Muhammad mit zu ihrem Onkel Waraqa, einem christlichen nestorianischen Priester, der Muhammad die Identität seines engelhaften Besuchers bestätigte: „Dies ist derselbe, der die Geheimnisse verwaltet (der Engel Gabriel), den Allah zu Moses gesandt hat.“

Ohne die Fürsorge Chadidjas (die bis zu ihrem Tode Muhammads einzige Ehefrau blieb) und die Bestätigung von Waraqa, hätte die Welt womöglich nie etwas vom Islam erfahren. Kurz nachdem Waraqa das Wesen, welches Muhammad erschienen war, identifiziert hatte, starb der alte Mann. Und nicht lange danach stürzte der Prophet, den er erfolgreich gesalbt hatte, wiederum in eine solch tiefe Verzweiflung, dass er abermals über Selbstmord nachdachte. Nach Buchari:
“Aber nach einigen Tagen starb Waraqa, und die göttliche Offenbarung setzte ebenfalls für eine Weile aus; und der Prophet wurde so traurig, dass er – wie wir gehört haben – mehrmals beabsichtigte, sich von den Gipfeln hoher Berge zu stürzen. Und jedes Mal, wenn er den Gipfel eines Berges bestiegen hatte, um sich hinabzustürzen, erschien Gabriel vor ihm und sagte: „O Muhammad! Du bist wirklich und wahrhaftig Allahs Gesandter,“ woraufhin sein Herz zur Ruhe kam und er sich selbst beruhigte und nach Hause zurückkehrte.“

Dieses Szenario spielte sich offensichtlich immer wieder dann ab, wenn Muhammad zu lange auf das Wiedererscheinen Gabriels hatte warten müssen. Buchari hält auch eine Überlieferung fest, der zufolge „Muhammad dasselbe tat wie vorher, wann immer die Zeitspanne für das Kommen einer Offenbarung zu lang wurde, aber wenn er dann den Berggipfel erreicht hatte, erschien ihm Gabriel und sagte ihm [dasselbe], was er ihm zuvor gesagt hatte.“

In einem anderen Hadith Bucharis reagierte Muhammad auf die Wiederaufnahme der Offenbarungen in derselben Weise wie er auf die erste reagiert hatte. Er erklärte:
„Die göttliche Eingebung verzögerte sich für eine kurze Weile, aber plötzlich, während eines Spaziergangs, hörte ich eine Stimme aus dem Himmel. Und als ich hinauf in den Himmel schaute, sah ich zu meiner Überraschung den Engel, der zu mir in die Höhle von Hira gekommen war, und er saß auf einem Thron zwischen Himmel und Erde. Ich fürchtete mich so sehr vor ihm, dass ich zu Boden fiel und [zurückgekommen] zu meiner Familie sagte: ‚Bedeckt mich (mit einer Decke), deckt mich zu!’“

Der Rest der Sure stammt aus einer späteren Zeit. Sie befasst sich mit der Undankbarkeit des Menschen: Er denkt, er sei eigenständig (Vers 7), obgleich er doch von Allah abhängig ist (Vers 8). Wer versucht, jemanden vom Gebet abzuhalten (Verse 9-10), wendet sich von der Wahrheit ab (Vers 13), aber er wird Allahs Strafe erfahren (Verse 15-16) und niemand wird ihm zu Hilfe kommen (Vers 17). Muhammad solle ihn jedoch nicht beachten, sondern sich der Verehrung Allahs widmen (Vers 19). Ibn Kathir sagt: „All dies bezieht sich auf Abu Jahl, Allah verfluche ihn! Er bedrohte den Propheten, weil dieser die Salat [das islamische Ritualgebet] an der Ka´ba verrichtete.“

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  Suren 97 bis 114

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Englischer Original-Artikel:
        BLOGGING THE QUR'AN, Blogging the Qur’an: Sura 96, “Clots of Blood”

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        Adel Th. Khoury, ISBN alt: 3579080245, ISBN neu: 978-3579080246
        Rudi Paret, ISBN alt: 3170198297, ISBN neu: 978-3170198296

Online existieren n.a. folgende deutschsprachige Nachschlagemöglichkeiten:
        theology.de
        Saudisches Dawa-Ministerium
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